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Positives Kormoran-Urteil in Brandenburg

Die Serie der aus Naturschutz- und Verbandssicht positiven Kormoranurteile hat sich fortgesetzt: Mit (rechtskräftigem) Urteil vom 25.08.2011 (Az.: - 5 K 1522/08) hat das Verwaltungsgericht Potsdam auf Klage des NABU-Brandenburg festgestellt, dass eine Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG zur Reduzierung des Bruterfolges in Kormorankolonien an drei wichtigen Kormorankolonien rechtswidrig ist. Über einige Jahre hinweg hatte es das Land Brandenburg zugelassen, in diversen Kormorankolonien den Bruterfolg dadurch stark zu reduzieren, dass die Kormorane in kalten Nächten durch Handscheinwerfer bzw. starke Taschenlampen zum Verlassen ihrer Gelege veranlasst wurden. In dieser Zeit kühlen die Eier aus, die Embryonen sterben ab.

Das Landesumweltamt hatte die Verfahrensdurchführung immer so gewählt, dass die Naturschutzverbände keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten hatten: Der Ausnahmebescheid wurde dem Fischereiverband beispielsweise am Gründonnerstag per Fax übertragen. Als die Naturschutzverbände den Bescheid am ersten drauf folgenden Werktag (nach Ostern) aus der Post nahmen, war die Aktion gegen die Kormorane bereits durchgeführt worden. Deshalb entschied sich der NABU-Brandenburg für eine Feststellungsklage.

Diese hatte Erfolg: Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2009 (das angesprochene Urteil arbeitet noch mit der Vorgängervorschrift) ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Als europäische Vogelart gehört der Kormoran zu den besonders geschützten Arten. Das mutwillige Auskühlenlassen der Eier fällt unter den Tatbestand der Zerstörung einer ihrer Entwicklungsformen. Nach § 45 Abs. 7 des aktuellen BNatSchG kann im Einzelfall von dem vorgenannten Verbot eine zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden Ausnahme zugelassen werden.

Das VG Potsdam hat festgestellt, dass der angegriffene Bescheid schon allein deshalb rechtswidrig ist, weil das Land Brandenburg das Bestehen eines „erheblichen fischereiwirtschaftlichen Schadens“ nicht ausreichend ermittelt und dargelegt habe. Der Vorschrift sei zu entnehmen, dass es sich bei erheblichen wirtschaftlichen Schäden für die Fischereiwirtschaft um gemeinwirtschaftliche Schäden handeln müsse, an deren Verhinderung bzw. Beseitigung ein existenzielles Interesse der Allgemeinheit bestehe. Eine pauschale Bezugnahme auf „zahlreiche Fischereibetriebe“ reiche hierfür nicht aus. Weiterhin habe es das Land unterlassen, ernsthaft nach zumutbaren Alternativen für die Zerstörung der Gelege zu suchen.

Der Bescheid sei weiterhin deshalb rechtswidrig, weil zwei der drei betroffenen Kolonien in Naturschutzgebieten (und FFH-/Vogelschutzgebieten) gelegen seien. Deshalb bedürfe es dort auch einer naturschutzrechtlichen Befreiung. Da die Schutzgebiete u.a. gerade zugunsten der Kormorane ausgewiesen worden seien, könne von der für die Befreiung erforderlichen Atypik der Situation keine Rede sein. Weiter hätte das Land nicht pauschal behaupten dürfe, es bestünden überwiegende Gründe für die Befreiung. Hierzu hätte das Land feststellen müssen, ob existenzfähige Fischereibetriebe ohne die Maßnahmen in ihrer Existenz bedroht wären. Das Fehlen einer vollständigen und zutreffenden Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts führe zu einem Ermessensdefizit und damit zu einem Ermessensfehler. Das Gericht hebt hervor, dass es Befreiungen/Ausnahmen zur Reduzierung des Bruterfolges in Kormorankolonien in Schutzgebieten, deren Schutzzweck gerade auch die Erhaltung des Gebietes als Brut- bzw. Vermehrungsraum für Wasser- bzw. Zugvogelarten darstellt, praktisch kaum für möglich hält.

Aufgegriffen hat das Gericht auch unsere Argumentation, wonach jedenfalls eine Natura2000-Verträglichkeitsuntersuchung hätte durchgeführt werden müssen, da mehrere der betroffenen Kormorankolonien in europäischen Schutzgebieten liegen und explizit vom Schutzzweck umfasst sind.

Das Urteil des VG Potsdam ist – bis auf die lange Verfahrensdauer – positiv zu bewerten. Es setzt die Reihe vernünftiger Kormoran-Entscheidungen fort. Erinnert sei z. B. an das Urteil des VG Minden vom 16.06.2009, des VG Köln vom 01.10.2009, des VG Hannover vom 27.04.2010 sowie des VGH Baden-Württemberg vom 16.03.2011. mit dem das (einzige) aus Naturschutzsicht schlechte Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.02.2009 abgeändert wurde. Damit bleibt festzuhalten, dass die Naturschutzverbände jedenfalls dann, wenn mit Einzelbescheiden/Befreiungen/Ausnahmen die Vergrämung oder Tötung von Kormoranen in natürlichen Gewässern ermöglicht werden soll, gute Rechtsschutzchancen haben. Die Problematik der sogenannten Kormoranverordnungen bleibt aber bestehen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der NABU-Brandenburg in dem gegenständlichen Verfahren sehr ausführlich und unter Rückgriff auf sämtliche zur Verfügung stehenden wissenschaftliche Quellen dargelegt hat, dass der Kormoran von den Fischereiverbänden zu Unrecht für den Rückgang von Speisefischen (insbesondere Aal) in natürlichen Gewässern verantwortlich gemacht wird, sondern dass es andere Gründe hierfür gibt. Das VG Potsdam hat das aber nicht diskutieren wollen, sondern dem NABU aus anderen Gründen Recht gegeben.


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Philipp Heinz
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