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Umweltverträglichkeits-prüfung - UVP

Einführung

Für viele Planungs- und Genehmigungsverfahren ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verbindlich vorgeschrieben. Die Prüfung erfolgt auf Basis der Genehmigungsunterlagen und der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU). Letztere wird manchmal auch als Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) bezeichnet. In der Bauleitplanung (Bebauungsplan bzw. Flächennutzungsplan) heißt die entsprechende Unterlage Umweltbericht.

Gesetzliche Regelungen hierzu finden sich u.a. im UVPG sowie § 2a BauGB sowie dem europäischen Recht.

Rechtlich hat die UVP im Jahr 2013 eine erhebliche Aufwertung erfahren. Weil die bisherigen gesetzlichen Regelungen gegen das europäische Recht verstießen, wurde das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) so geändert, dass nunmehr u.a. anerkannte Umweltverbände, Privatpersonen und Städte/Gemeinden gegen eine rechtswidrig unterlassene UVP erfolgreich klagen können.

Einige Einzelheiten stellt unser folgender Artikel dar:

Wann ist der Verzicht auf eine UVP rechtswidrig?

Die Erfahrung von (Umwelt-) Anwälten ist folgende: So häufig wie möglich auf die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichtet. Dies hat gravierende Folgen. Einerseits fehlt es dann an der wichtigsten Erkenntnisquelle der Umweltauswirkungen des Vorhabens. Andererseits führt der Verzicht der UVP nicht selten dazu, dass keine Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung stattfindet. Mit Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 A 1.13 , hat das Bundesverwaltungsgericht dieser Praxis Grenzen gesetzt. Es zeigt auf, wann der Verzicht auf eine UVP rechtswidrig ist. Weiterhin macht die Entscheidung deutlich, dass Umweltverbände, Nachbarn und betroffene Gemeinden eine fehlende UVP gerichtlich geltend machen können.

Hintergrund

Die Anlage 1 zum UVPG bestimmt, dass für manche Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zwingend durchzuführen ist. Vielmehr ist eine allgemeine oder standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen (Zeichen A oder S in der Spalte 2). In diesen Fällen beantragen die Vorhabenträger in der Regel, auf die UVP zu verzichten. Die Behörden gehen hierauf fast immer ein. Mit wenigen Sätzen und unter mehr oder weniger intensiver Berücksichtigung der Kriterien des Anhangs 2 des UVPG wird seitens der Behörde behauptet, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben könne. Nicht selten wird an dieser Stelle das Ergebnis des Genehmigungs- oder Planungsverfahrens quasi vorweggenommen, indem zum Beispiel argumentiert wird, dass Immissionsgrenzwerte eingehalten werden müssten und deshalb auch keine erheblichen Umwelteinwirkungen zu befürchten wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass jedenfalls dann, wenn Belastungen im oberen Bereich des Zulässigen entstehen könnten, der Verzicht auf die UVP rechtswidrig ist.

Die Entscheidung und ihre Übertragbarkeit

Eine Großstadt aus Nordrhein-Westfalen hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungs-Freileitung (380 kV) geklagt. Weil die Trasse über mehrere Kilometer bis auf wenige Meter an Wohngebiete heranreicht (die Schutzstreifen der Freileitung liegen zu großen Teilen in den Gärten der Wohnhäuser) hatte die Stadt einerseits geltend gemacht, dass der Verzicht auf eine UVP rechtswidrig sei und andererseits eine Erdverkabelung gefordert. Weil das Vorhaben eine Länge zwischen 5 und 15 km hat, war eine UVP nicht obligatorisch. Vielmehr war nach Nr. 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine Vorprüfung des Ein-zelfalls durchzuführen. Die Bezirksregierung Düsseldorf war zu dem Ergebnis gekommen, dass es keiner UVP bedürfe. Das Gericht hält diese Entscheidung für falsch und hat den Planfeststellungsbeschluss deshalb für rechtswidrig und nicht vollziehbar (es darf nicht mehr gebaut werden) erklärt.

Allgemeine Erkenntnisse

Aus dem Urteil sind insbesondere folgende Erkenntnisse von allgemeiner Bedeutung und lassen sich auf andere Verfahren übertragen:

Die gerichtliche Prüfung bei einer auf Basis einer behördlichen Vorprüfung des Einzelfalls unterlassenen UVP erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Rn. 32 f. des Urteils; vgl. auch § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG). Die Bezirksregierung hatte in ihrer Vorprüfung die Möglichkeit erheblicher Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3c UVPG deshalb abgelehnt, weil die Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) unterschritten würden. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen allerdings nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Rn. 37).

Vielmehr bestehe grundsätzlich das Interesse der Wohnanlieger, gar nicht durch elektromagnetische Felder belastet zu werden (Rn. 38). Dieser Belang werde um so gewichtiger, je näher die Belastung an die Zulässigkeitsgrenze heranreiche (Rn. 39). Im konkret zu prüfenden Fall war nach der überschlägigen UVP-Vorprüfung bei der elektrischen Feldstärke durch die Ge-samtbelastung eine Ausnutzung des Grenzwertes von ca. 75 % zu erwarten gewesen. Diese prognostizierte Belastung habe erkennbar die Frage aufgeworfen, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht käme. Es sei Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG habe die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen (Rn. 39).

Auswirkungen auf die Praxis

Deshalb ist allgemein zusammen zu fassen, dass mögliche Umweltauswirkungen bei der UVP-Vorprüfung jedenfalls bereits dann zur UVP führen müssen, wenn sie an die Zulässigkeitsschwelle heranreichen und deshalb in der Abwägung so gewichtig sind, dass im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Leitsatz des Urteils). Ob der Senat an seiner im Luftverkehrsrecht entwickelten Rechtsprechung festhalten wird, dass eine Belastung im Sinne des § 3c UVPG bereits immer dann erheblich ist, wenn sie als abwägungserheblich einzustufen ist (dann wäre die Erheblichkeitsschwelle für eine UVP noch deutlich niedriger als soeben zusammengefasst), haben wir in der mündlichen Verhandlung diskutiert. Der Senat hat dies im Urteil offen gelassen (Rn. 39).

Das BVerwG hält weiterhin fest, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG die Aufhebung (Genehmigungsentscheidungen) bzw. die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollzieh-barkeit (Planfeststellungsbeschlüsse) verlangt werden kann, wenn eine erforderliche UVP nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Geltend gemacht werden kann dieser Gesichtspunkt sowohl durch betroffene Städte/Gemeinden und Privatpersonen als auch durch Umweltverbände. Bis vor kurzem hat die deutsche Rechtsprechung eine rechtswidrig unterlassene UVP regelmäßig nicht für einen Klageerfolg ausreichen lassen. Vielmehr wurde den Klägern abverlangt, dass sie nachweisen, dass der angegriffene Bescheid im Falle der Durchführung der UVP anders (nämlich zu ihren Gunsten) ausgefallen wäre. Dieser so genannte Kausalitätsnachweis war natürlich kaum zu erbringen. Jetzt formuliert das Bundesverwaltungsgericht dagegen wie folgt (Rn. 41):

„Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfah-rensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage […].“

Mit diesen Ausführungen findet nicht nur das Anfang 2013 insoweit geänderte Umwelt-rechtsbehelfsgesetz Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung. Vielmehr stehen diese Überlegungen in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht, welches eine effektive in-haltliche und verfahrensmäßige Kontrolle der UVP-Entscheidungen verlangt (vgl. zuletzt EuGH vom 7.11.2013, Rechtssache C-72/12 „Altrip“).

Abschließend ist noch auf zwei Gesichtspunkte hinzuweisen:

  • Eine fehlende UVP führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Das heißt aber noch nicht, dass damit ein Vorhaben zwingend nicht mehr umsetzbar ist. Vielmehr kann die UVP z.B. in einem ergänzenden Verfahren durchgeführt werden. Das BVerwG betont aber, dass dies kein Pro-Forma-Verfahren sei. Die UVP müsse nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt werden. Wörtlich heißt es unter Rn. 43: „Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar.“
  • Das BVerwG hat in dem Urteil offen gelassen, ob man die Unterlassung einer UVP nur dann erfolgreich geltend machen kann, wenn man dies fristgerecht in der Öffentlichkeitsbeteiligung eingewandt hat (Präklusion, vgl. Rn. 31). In der mündlichen Verhandlung hat der Senat aber durchblicken lassen, dass er vermutlich diese Auffassung vertreten werde, wenn die Präklusionsvorschriften in so weit unter europarechtlichen Aspekten überhaupt Bestand hätten. Hieraus folgt für die Praxis: Umweltverbände, Privatpersonen und Gemeinden/Städte sollten im Rahmen ihrer Einwendungen bzw. Stellungnahmen Fehler im Zusammenhang mit der Durchführung oder Nichtdurchführung einer UVP unbedingt ausreichend substantiiert und fristgerecht rügen. Denn ggf. lässt sich alleine schon auf dieser Basis mit Erfolgsaussichten ein Gerichtsverfahren führen.


Rechtsanwalt
Philipp Heinz
Grolmanstr. 39
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Zweigstelle
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