Zwei Begriffe für letztlich fast dasselbe: Bei der klassischen Abfallverbrennung / Müllverbrennung wandert eingesammelter Abfall mehr oder weniger ohne vorherige Aufbereitung in die Verbrennung. Bei sog. Ersatzbrennstoffkraftwerken wirbt der Betreiber meist damit, dass (angeblich) klar qualifizierte und aufbereitete Abfälle in die Verbrennung gelangen würden. Hier ergeben sich eine Reihe von Fragen, die in jedem Einzellfall sehr unterschiedlich zu beantworten sind: Welche Anforderungen werden tatsächlich an die Vorbehandlung gestellt? Um was für Abfälle handelt es sich bei den Ersatzbrennstoffen (EBS; oft genug kann das bei näherem Hinsehen fast alles sein, was brennt) und wo kommen sie her? Dient die Vorbehandlung tatsächlich der Schadstoffentfrachtung, wie so oft behauptet wird, oder werden viel mehr hauptsächlich unbrennbare (inerte) Abfälle herausgefiltert? Im letzteren Fall kann es statt zu einer Schadstoffentfrachtung zu einer Schadstoffaufkonzentrierung kommen, weil letztlich in der Verbrennung unschädliche Abfälle heraussortiert und potentiell schädliche Inhalte im Abfall verbleiben. Diesen Schluss lassen eine Reihe von Genehmigungsverfahren der letzten Jahre zu: Tendenziell steigen die beantragten maximalen Schadstoffgehalte stark an. Sie liegen in einigen Verfahren bei einem Vielfachen dessen, was Untersuchungen als Schadstoffpotential bei „normalem“ Hausmüll festgestellt haben.
Derzeitige Entwicklung
Es sind mehrere Entwicklungen zu beobachten:
Viele energieintensive Industriebetriebe haben das Potential von „Ersatzbrennstoffkraftwerken“ entdeckt: Statt teuer Strom zu kaufen oder selbst Energie in Form von Dampf oder Strom über Öl-, Gas- oder gar Kohlekraftwerke zu produzieren und dabei abhängig von stark steigenden und unkalkulierbaren Weltmarktpreisen zu sein, wird eine eigene Abfallverbrennungsanlage errichtet. Das ist ein mehrfach lohnendes Geschäft: Energie wird in Form von Abfällen nicht nur frei Haus geliefert, sondern der Betreiber erhält noch pro Tonne Abfallentsorgung einen stattlichen Betrag vom Abfalllieferanten. Die Größenordnung hierfür ist sehr unterschiedlich. 50-100 € pro Tonne dürften aber kein Einzelfall sein. Da der Markt verfügbarer Abfälle rasch abnimmt, ist mit sinkenden Preisen zu rechnen. Zudem werden möglichst langfristige Verträge abgeschlossen, die eine lange Kalkulationssicherheit gewährleisten sollen. Als weiterer Pluspunkt aus Sicht der Verbrenner sind Müllverbrennungsanlagen vom Emissionshandel befreit. Die meisten Behörden gehen davon aus, dass dies auch ausnahmslos für Ersatzbrennstoffanlagen gilt, was rechtlich aber mit einem gewissen Fragezeichen zu versehen ist. Insgesamt dürfte sich aus heutiger Sicht die Investition in eine MVA für das Unternehmen schnell bezahlt machen.
Da verwundert es wenig, wenn plötzlich überall in Deutschland sog. Ersatzbrennstoffkraftwerke geplant werden. Eine Auflistung der Fa. Remondis mit Stand 21.06.07 nennt alleine 60 neue EBS Anlagen in den Deutschland und den Niederlanden mit einer Gesamtkapazität von knapp 10 Mio. Jahrestonnen, die derzeit im Bau oder in der Planung sind. Deshalb gehen selbst betreibernahe Interessenvertreter davon aus, dass längst nicht alle Anlagen verwirklicht werden können. Auch im Bereich der "klassischen" Müllverbrennung gibt es derzeit viele Erweiterungsprojekte.
Gleichzeitig ist es leider in Mode gekommen, im Genehmigungsantrag die Emissionsgrenzwerte der 17. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (17. BImSchV) voll auszuschöpfen. Das ist in so fern sehr bedenklich, da seit vielen Jahren zuverlässige Technik existiert, die ein weitreichendes Unterschreiten der Grenzwerte möglich macht. So kommt es immer wieder dazu, dass deutlich ältere Anlagen effektiv erheblich weniger Schadstoffe ausstoßen, als derzeit beantragte es vermutlich zukünftig werden. Jedenfalls bei krebserzeugenden Substanzen wie Dioxinen/Furanen oder aber auch bestimmten Schwermetallen ist das nicht unkritisch, weil keine Mengenschwellen existieren, unterhalb derer jegliche Gesundheitsgefahr auszuschließen ist. Hier ist die Bundesregierung wie auch die EU aufgerufen, die Grenzwerte dem tatsächlichen Stand der Technik entsprechend zu verschärfen. Aber auch die Genehmigungsbehörden sollten von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen. So dürften sich mit etwas Begründungsaufwand häufig gute Argumente dafür finden, im Einzelfall unterhalb der Grenzwerte der 17. BImSchV zu genehmigen. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2007 entschieden, dass eine Genehmigungsbehörde auch dann von sich aus die Grenzwerte herabsetzen kann, wenn feststeht, dass die konkret beantragte Anlage bessere Werte sicher einhält (Sotec, Urteil des vom 26.04.2007, Az. BVerwG 7 C 15.06).
Es gibt die Tendenz, dem Genehmigungsverfahren immer mehr Transparenz und Einflussmöglichkeiten durch Dritte zu nehmen. So wurde beispielsweise Ende 2006 beschlossen, dass eine öffentliche Bekanntmachung hinsichtlich der Auslegung von Genehmigungsunterlagen nicht mehr zwingend in den örtlichen Tageszeitungen stattzufinden hat, sondern dass eine Veröffentlichung auf den Internetseiten der Genehmigungsbehörde ausreichen kann (wer liest die ständig?). Mitte 2007 wurde beschlossen, den bisher pflichtigen und für alle Seiten enorm wichtigen Erörterungstermin in das Ermessen der Behörden zu stellen (zum Genehmigungsverfahren unten mehr).
In einigen Bundesländern (z.B. Sachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein Westfalen) gibt es Bestrebungen, einen großen Teil immissionsschutzrechtlicher Verfahren auf die Kreise und kreisfreien Städte zu verlagern. Dafür werden diesen einzelne Mitarbeiter/innen der bisherigen zentralen Genehmigungsbehörden zugeteilt. Es ist zu befürchten, dass Einzelpersonen auf Kreisebene, die alle paar Jahre einmal mit derartigen Anlagen zu tun haben, von der Komplexität überfordert sein werden. Gleichzeitig werden die zentralen Strukturen wegen der Aufteilung der Mitarbeiter/innen erheblich geschwächt.
Gibt es Gründe, die gegen Abfallverbrennungsanlagen sprechen?
Beim Wort Müllverbrennung in Panik zu verfallen ist normaler Weise nicht (mehr) angebracht. Es gibt aber dennoch einige gute Gründe, eine Müllverbrennungsplanung in der Nachbarschaft kritisch zu begleiten, ganz abgesehen davon, ob man aus Gründen der Abfallvermeidung generell gegen die Vernichtung von Ressourcen bei oftmals eher schlechten Wirkungsgraden ist.
Die Erfahrung zeigt leider, dass viele Genehmigungsbehörden ihre Arbeit sehr viel ernster nehmen und erst dann anfangen, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen, wenn genügend öffentlicher Druck da ist.
Es gelingt immer wieder, durch eine detaillierte fachliche und rechtliche Auseinandersetzung mit dem Projekt auf Schwachstellen hinzuweisen. Hieran können ggf. Projekte scheitern, jedenfalls aber deutlich verbessert werden. Dies betrifft oft Gesichtspunkte der Umweltvorsorge. Diese können regelmäßig nur im Genehmigungsverfahren erfolgreich geltend gemacht werden, nicht aber in Rechtsmitteln wie Widersprüchen oder Klagen von Anwohner/innen.
Von Anwohnern gerade ländlicher Gebiete (Wohnen mit hohem Erholungswert im Grünen) wird oft die Befürchtung geäußert, dass es zu Wertverlusten am Wohneigentum durch eine Abfallverbrennung in der Nachbarschaft kommen könnte.
Letztlich geht es Vielen auch darum, die Emissionsgrenzwerte auf den tatsächlichen Stand der Technik abzusenken. Dies wird nur geschehen, wenn sich viele Personen entsprechend äußern.
Ein besonderes Problem stellt die Kontrolle des Abfallinputs dar. Ein Qualitätsmanagement fehlt oft völlig. Da die meisten Schwermetalle im Betrieb nur ein Mal im Jahr über wenige Minuten bzw. Stunden gemessen werden (und der Anlagenbetreiber zuvor über die Messung informiert wird), gibt es bei diesen Stoffen über den größten Teil des Jahres keinerlei Kontrolle.
Was kann man rechtlich und politisch tun?
Erfahrungsgemäß ist es entscheidend, möglichst frühzeitig tätig zu werden. Je weiter eine Planung und ein Verfahren fortgeschritten ist, desto schwerer ist es, Einfluss zu nehmen. Zweierlei ist für einen Erfolg erforderlich: Erstens muss sich vor Ort ein möglichst breites Bündnis finden. Sehr gut ist es, wenn vielleicht sogar die örtliche Gemeinde oder eine Nachbargemeinde zur Mitarbeit bewogen werden kann. Ggf. ist auch eine Art Arbeitsteilung möglich: Ein Aktionsbündnis versucht, eine Anlage in der beantragten Form und Art und Weise ganz zu verhindern, während die Gemeinde u.a. auf eine Verbesserung der Anlage drängt. Zweitens muss detailliert und mit Fakten gearbeitet werden. Eindruck bei der Genehmigungsbehörde und auch beim Antragsteller erschafft man sich meist durch eine Kombination von breitem Protest und fachkundiger Arbeit.
Rechtlich ist es von entscheidender Bedeutung, dass keine Fristen übersehen werden. Zu nennen ist insbesondere die Einwendungsfrist (2 Wochen nach dem Ende der öffentlichen Auslegung). Die Einwendung muss all die Punkte ansprechen, aus denen sich Nachteile für die betroffenen Nachbarn ergeben können. Zudem bedarf es einer Darstellung der persönlichen Betroffenheit. Wer die Einwendungsfrist verpasst, ist hinsichtlich aller Gesichtspunkte, die er als Laie hätte den Antragsunterlagen entnehmen können, mit allen Rechtsmitteln (Widerspruch, Klage, Antrag auf Baustopp) ausgeschlossen.
Der Erörterungstermin ist ein gutes Mittel, die in der Einwendung vorgetragenen Argumente den Genehmigungsbehörden näher darzulegen und die weitere Öffentlichkeit von dem eigenen Standpunkt zu überzeugen. Inhaltlich kann es darum gehen, ob eine Anlage am vorgesehenen Standort bauplanungsrechtlich zulässig ist, ob die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden, ob die Anlage dem Stand der Technik entspricht, ob Immissionsgrenzwerte eingehalten werden, welche Lärmauswirkungen und Gerüche von der Anlage ausgehen werden, ob die Rauchgasreinigungsanlage ausreichend ist, unter welchen Voraussetzungen Vorbelastungsuntersuchungen und toxikologische Bewertungen erforderlich sind, u.v.a.m.
Falls es dennoch zu einer Genehmigung kommt, sind die Rechtsmittelfristen (ggf. Widerspruch, Klage) zu beachten, weil ein Bescheid sonst bestandskräftig wird.
Näheres zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erfahren Sie hier, denn es handelt sich in der Regel um ein immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiges Verfahren.
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